Wäre meine Oma noch am Leben, wäre sie jetzt meine Rettung.
„Immer nach Gefühl!“ höre ich ihre sanfte Stimme in meinem Kopf. Ich sehe sie vor mir in ihrer großen Küche wie sie, ältere Dame schon, mit einem milden Lächeln, schweren Beinen und der weißen Schürze am Offen steht und „nach Gefühl" kocht.
Sie und der Großvater führten zehn Jahre lang vor ihrer Pensionierung einen Familienrestaurant in damaligen Jugoslawien. Oma kochte, Opa kaufte ein, scherzte mit den Gästen und war immer auf der Suche nach einer hübschen Kellnerin. Für uns, ihre große Familie, acht Kindern und 24 Enkelkinder, war die Oma, egal wie viel sie zu tun hatte, egal wann wir auftauchten, immer sofort da. Sie freute sich immer, küsste uns, fragte, wie es uns geht, ob wir Hunger hätten und schon zauberte sie für jeden etwas, was er am liebsten mag.
Wie hat sie das alles immer geschafft, frage ich mich nun? Und alles immer mit soviel Freude und Gelassenheit. Nichts könnte sie aus der Ruhe bringen.
Und ich, ihre erste Enkelin, kriege nicht mal die blöden Ćevapčići für meinen deutschen Mann hin. Nicht mal mit der Hilfe des All-Besserwissers, Dr. Google! Im Gegenteil!
Seine Empfehlung: die 1,4 -Millionen Klicks – Ćevapčići mit einem deutschen Starkoch in der Hauptrolle und einer unbegabten Köchin aus Serbien, würde ich niemandem zumuten. Vor allem nicht meinem deutschen Mann. Ihm, dem absoluten Feinschmecker, habe ich aber für Morgen, die "besten Ćevapčići ever“ versprochen.
Nichts wollte ich dem Zufall überlassen. Und habe dafür die komplette sieben Folgen der ,„geskripteten Doku“ mir im Netz angeschaut. Stundenlang habe ich gefiebert, gelitten, gehofft. Um zum Schluss zu erfahren, wie man zuerst „ekelhafte“ und dann geschändete Ćevapčići zubereitet. Und wie ein deutscher Starkoch seine arme Schülerin dabei quält!
Ich war entsetzt, wütete, schimpfte, auch mit mir selbst:
„Ja Zeit verballern, im Internet ,das kannst Du echt gut! Und Ćevapčići? Wie macht Du nun deine Ćevapčići?“
„Immer nach Gefühl“ höre ich nun die ruhige Stimme meiner Oma.
Jaaa, Gefühl...! "Schön wäre es, liebe Oma!" Nach soviel Ekel im Netz - habe ich aber gar kein Gefühl mehr! Nur Kopf-und Rückenschmerzen.
Ich muss aber jetzt durch. Versprochen ist Versprochen!
„Die Ćevapčići ala „Željo nr. 1“ in der Baščaršija, der legendären Altstadt von Sarajevo, werde ich sowieso nicht hinkriegen“, fange ich an, mich zu trösten und versuche noch mal bei ihm, Dr. Google!
Ich tippe in mein Handy: „bosanski Ćevapčići / bosnische Cevapcici“ .
Und sofort springt „Hanuma“ ,übersetzt :„feine Dame“, heraus, eine rotwangige leidenschaftliche Bosnierin aus Wien, die spitzbübisch mit der Kamera flirtet und ihren Tausenden Folower die besten „Ćevapčići ever“ verspricht.
Hanuma kocht
Sie produziert Videos in zwei Sprachen: auf Deutsch und in Bosnisch. Mit ihrem Hobby –mit Liebe und Muse authentisch zu kochen – verdient „Hanuma“ im Netz inzwischen sicherlich mehr als manche analoge Profiköche. Und: sie koche nach Rezepten ihrer bosnischen Oma.
Wie sonst! Ich muss wieder lachen. Alle Köche weltweit tun es. Millionen Omis weltweit rennen nun einen digitalen Wettkampf für ihre ehrgeizigen Enkelkinder. Auch nach dem Tod. Die deutschen Starköche prahlen fast alle in ihren zahlreichen Kochsendungen mit Rezepten „ihrer Oma“ , die alles "immer nach Gefühl" kochen.
Und ich glaubte noch lange naiv, dass nur meine Oma so einzigartig mit ihrem Kochgefühl war.
„Hanuma“, meine Landsmännin, die sich im schwer umkämpften digitalen Mark einen Namen als Influenzerin gemacht hat, und ihrer bosnischen Oma, nach deren Gefühl
sie here kocht, schenke ich nun mein Vertrauen. Schließlich hat „das Mädle“ zweiundzwanzig Tausend Follower in Youtube. Ohne Instagram, Tick-Tock, Facebook und wer weiß, sonst noch wo .
„Hanuma“ ist dazu höflich und völlig normal, eine wohltuende Seltenheit im Netz.
„Mein Gefühl“, von dem meine Oma früher sprach, fängt an, sich langsam einzustellen; ich kaufe ein und gehe auf Nummer sicher: ich koche genau nach Hinweisen von „Hanuma“ und bin vom Geist meiner Großmutter getrieben.
Eine Stunde später sitzt mein deutscher Mann gespannt vor meinen „10 im Halben“.
10 gebratene Hackröllchen duften aus dem halben saftigen Fladenbrot. Er beißt hinein, dann in die Zwiebelscheiben und leckt dann „Kajmak“, den dicke Süßrahmen, atmet tief aus und stöhnt:
„Oh, juuut! Das schmeckt so gut“
Ich schaue ihn an, studiere sein Gesicht. Ist er ehrlich oder blufft er höfflich?
Er schaut zurück, er kennt meinen Blick. Vor mir kann er nichts verstecken.
„Wirklich!“ sagt er, beißt noch mal hinein, wirft mir einen langen, verliebten Blick zu.
„Saftig, nicht zu fest, fleischig , leichtes Paprikaroma mit einem Hauch Knoblauch und noch einem kleineren Hauch Kreuzkümmel und dazu der Bratenduft, der in das kurz im Ćevapčići-Fett getoastete Fladenbrot gezogen ist. Perfekt!
„Ach, echt?“
Das Wasser fließt ihm aus dem Munde.
Ja! Ihm schmeckt es. Er ist schon bei den fünften Stück, sein Mund ist voll, er schluckt es runter, und er lobt meine Čevapčići dazwischen :
„ So saftig, so knusprig, sooo lecker. Wirklich wunderbar!“
Er isst weiter, macht eine kleine Pause und fügt dann leise hinzu, wie für sich:
„Wie bei...Hanuma...“
„He?“ beiße ich mich jetzt auf die Zunge.
„ HANUMA? ...Welche HANUMA?“
„Hanuma, halt! Die junge, sympathische Köchin aus der Baščaršija!“ lächelt er mich an und leckt nun genüsslich den „Kajmak“, den Rahm, den ich auch nach Rezept von „Hanuma“ aus dem Internet vorzüglich hingekriegt habe.
Klar. Ihm, meinen deutschen Mann, der ständig „seine Inspirationen“ sucht, konnte die charmante, bosnische Kochinfluenzerin aus dem Internet mit den schönen runden Formen und den lebendigen Augen natürlich nicht entgangen sein.
Er, der wenig Respekt vor egal welcher exotischen Küche hat, verblüfte mich schon mit indischen, japanischen oder mexikanischen Spezialitäten, aber auch mit „Sarma“, dem ultimativen bosnischen Slowfood, in Kraut gewickelten Hackfleischbällchen, die stundenlang im eigenem Saft am Herd blubbern, oder mit „Tufahija“, dem süßen, saftigen Bratapfel gefüllt mit kleingehackten Walnüssen. Und nun weiß ich auch, wo er das her hat.
Von „Hanuma“. Der „feinen Dame“ , der hübschen Bosnierin aus Wien mit der Engelsstimme habe ich es sofort zugetraut, sogar ihn, meinen deutschen Mann, zu verführen.
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Original Rezept von Hanuma
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HANUMA KOCHT: heute Ćevapčići
Es wird viel darüber philosophiert, welche Zutaten gute Ćevapčići ausmachen. Dabei unterscheiden sich die Rezepte von einer Imbissbude zur anderen und von Stadt zu Stadt. Ich stelle euch ein Rezept vor, das als eines der originalen gilt und zeige euch mehrere Varianten, wie ihr sie formen könnt. Dabei vergesse ich nicht auf den traditionellen Rahm „Kajmak“.
Hanumas Zutaten für Ćevapčići:
2 kg fein faschiertes Jungrind-, Kalbs-, Schafs oder Lammfleisch (beste Kombination: 1,5 kg Jungrind oder Kalb und 500 g Schafs- oder Lammfleisch)
5 Knoblauchzehen
10 g Natron (=ca. 2 TL)
20 g Salz
100 ml Wasser
50 ml Mineralwasser mit Kohlensäure
1-2 TL Pfeffer
Tränke für die Fladenbrote:
1 Würfel Rinderbrühe
300 ml Wasser
Für den schnellen Rahm:
250 g Frischkäse
100 g Butter auf Zimmertemperatur
120 g Fetakäse
100 ml Schlagobers
3 EL Sauerrahm
Salz nach Bedarf
https://www.youtube.com/watch?v=jmHIqbFcwmc
Zubereitung Ćevapčići:
1) Was es die Teile vom Rind betrifft, empfiehlt es sich Fleisch von den Rippen, Schulter und dem Nacken zu verwenden. Auf jeden Fall sollte es nicht sehnig oder mager sein. 20-30 % Fettgehalt sind ideal. Es sollte zwei Mal faschiert werden, damit es so fein wie nur möglich ist. Das Fleisch könnt ihr zuhause faschieren, wenn ihr den passenden Fleischwolf habt oder euren Metzger bitten, diesen Schritt zu erledigen.
2) Die Knoblauchzehen gebt ihr durch die Knoblauchpresse oder schneidet sie in sehr feine Stückchen. Gebt sie in einen kleinen Topf, fügt 100 ml Wasser hinzu und kocht alles kurz auf.
3) Lasst das Knoblauchwasser etwas auskühlen und gebt es zusammen mit dem Salz, Mineralwasser und Pfeffer zum Fleisch. UPDATE: Das Natron gebe ich mittlerweile nicht mehr in diesem Schritt dazu sondern kurz vor dem Formen, da es so eine bessere Wirkung hat.
4) Knetet die Masse kräftig durch und gebt sie für min. 3 Stunden in den Kühlschrank, am besten über Nacht.
5) Am nächsten Tag vermischt ihr das Natron mit ein wenig Wasser, gebt es über die Masse und knetet diese nochmals durch, mit den Händen oder dem Knetaufsatz eurer Küchenmaschine. Formt die Ćevapčići mit jener Methode, die euch am praktischsten erscheint (siehe Video alt und neu).
6) Lasst die geformten Ćevapčići wieder für mind. eine Stunde im Kühlschrank.
7) Bereitet die Tränke für die Fladen vor, indem ihr in 300 ml heißem Wasser 1 Würfel Rindsbrühe auflöst.
8) Schneidet die Fladenbrote in der Mitte durch, tränkt sie mit etwa 3-4 EL von der Brühe und legt sie auf den Grill (oder in die heiße Pfanne), bis sie eine schöne Farbe angenommen haben.
9) Am besten schmecken Ćevapčići, wenn man sie bei stärkerer Flamme am Grill brät. Wichtig ist dabei, immer wieder den Grillrost mit Fett (Rindertalg ist dafür perfekt geeignet) zu bestreichen, damit sie nicht ankleben oder verbrennen. Achtet darauf, sie nicht zu lange zu braten, da sie sonst austrocknen. In der Mitte sollten sie noch ganz leicht rosa sein.
10) Wenn ihr sie in der Pfanne zubereitet, verwendet genügend Öl, bratet sie scharf von allen Seiten an und fügt, wenn die Ćevapčići fast fertig sind, ein bisschen von der Brühe hinzu, damit sie nicht austrocknen.
11) Dann gebt ihr die Unterseite des Fladenbrotes auf einen Teller, legt die Ćevapčići sofort hinein, Oberseite darauf und richtet das Ganze mit dem Rahm, Ajvar und dünn aufgeschnittenen Zwiebeln/Frühlingszwiebeln an.
Tipp: Wenn euch 2 kg Fleisch für den Anfang zu viel sind, halbiert die Menge einfach. Ich nehme grundsätzlich etwas mehr, da ich immer eine Portion einfriere. Ćevapčići halten sich mindestens ein halbes Jahr im Gefrierschrank. Es lohnt sich also, sie auf Vorrat zu machen.
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