Es hätte mich eine ganz normale Tasse Kaffee beinahe eine Freundschaft gekostet. Zu Gast war bei mir ein alter Freund vom Bodensee, Sohn eines Gastarbeiterpaares aus Bosnien, der die Liebe zur Heimat seiner Eltern Mitten im Bosnienkrieg entdeckt hatte.
Als ich ihm eine Tasse Filterkaffe angeboten hatte, sprang er vom Stuhl:
"Also, Du auch?! rief er entsetzt.
"Nicht zu fassen", schüttelte er den Kopf, inzwischen rieche ganz Bosnien nach dem deutschen Filterkaffee. Seine Eltern kaufen jedes Jahr eine oder zwei Filterkaffeemaschinen, erfahre ich, um ihre Verwandten in Bosnien zu beglücken. Und das obwohl die Deutschen selber von ihrem Filterkaffee immer weniger halten.
Ich fühlte mich ertappt und musste aus vollem Halse lachen.
Auch ich schleppe in meine Heimat die deutschen Kaffeemaschinen in allen Formen und Farben. Meine Eltern, Tanten und Freunde bewunderten die Kaffeemaschine kurz und kosten den neuen Kaffeegeschmack aus Deutschland mit großer Neugier. Doch am nächsten Tag trinken sie wieder ihren Mocca und stellen die deutsche Filter-Kaffeemaschine auf den Schrank. Wie eine Trophäe.
Die Mitbringsel aus Deutschland werden regelmäßig abgestaubt und manchmal sogar benutzt. Vor allem, wenn die Gastarbeiter wieder auftauchen.
Ihr Mokka ist den Bosnier jedoch unersetzlich. Die kräftige schwarze Brühe mit dickem Bodensatz ist auf dem Balkan mehr als Getränk, auch mehr als eine Lebensphilosophie: Er ist ihr Heilmittel, ein Priester und ein Psychiater in einem. Mokka hilft dem Balkanmenschen ihrem harten Alltag weich zu begegnen: sich selbst und einander für einen Moment zu vergeben.
Jede Frau in Bosnien röstet ihren Kaffee nach ihrem eigenen Geheimrezept, wie sie das von ihrer Großmutter zu röstet und zubereiten gelernt hat.
"Warum bleiben wir unserem Zuhause hier nicht treu so wie die Türken?“ tadelt mich mein Gast.
Ich zucke mit den Schultern, versuche den Sinn seiner Frage zu verstehen.
"Warum lassen wir uns bloß so schnell integrieren und vom Deutschen in allen Fragen unserer Identität leicht einkassieren? Sogar in Frage des Kaffeegeschmackes!" protestiert mein bosnischer Gast weiter.
Ich verstehe seine Aufregung nicht, verdrehe die Augen, halte die Zunge fest hinter den Zähnen, will einfach höfflich bleiben.
Warum trinken wir hier einfach nicht weiter unseren guten alten Mokka, so wie Italiener ihren Espresso oder Französen ihren Presskaffee?", fragt er weiter.
"Du möchtest also einen Mokka?" frage ich.
Er nickt.
Erleichtert werfe ich einen Blick auf meinen Küchenschrank mit meiner "Djezva- Sammlung“.
„Bingo!“ sagt er und beruhigt sich allmählich.
Ich staube die sieben aus Kupfer geschmiedeten Kaffeekännchen ab - die mir meine bosnischen Verwandte in regelmäßigen Abständen in Sarajevo geschenkt
haben - und sehe wie mein bosnischer Freund vom Bodensee plötzlich strahlt.
Er darf sich natürlich eine Djezva aus meiner Kollektion selber aussuchen.
Für unser "Mokka", den uns übrigens die alten Osmanen hinterlassen haben, muss ich noch schnell die deutschen Kaffeebohnen feiner mahlen.
Dann können wir uns in Ruhe am Tisch hinsetzen, die alten Fotoalben blättern und selig - wie früher- den herrlich duftenden Mokka Stundenlang genießen.
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