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Virtuelle Köche - Vom satten Leben 01

Aktualisiert: 14. Dez. 2021


„Ich bekenne: Ich liebe gutes Essen und schräge Typen. Aber kochen? Nein, da bin ich eine völlige Niete. Obwohl ich die besten Lehrer der Welt haben könnte... Oder vielleicht deswegen?

Nein, deswegen meine ich nicht die Kochpäpste aus Fernsehen: Lafer, Tim, Jamie und Co. Von ihnen habe ich genug. Egal wo ich hin zappe, kocht einer. Ihre Küche ist wie Fata Morgana – die reine Illusion! Da schmeckt es buchstäblich nach nichts. Alles völlig steril und geruchlos. Höchstens riecht es immer nach dem Fernsehkabel, wenn die Kiste zu lange läuft. Doch mich überfällt während der Kochsendung tatsächlich: Hunger.


Die erste Hilfe hole ich mir aus einer Chips- Tüte. Danach renne ich, falls mein deutscher Mann nicht gerade kocht, zum ersten Imbiss, zu meinem Griechen. Oder noch besser: ich rufe ein Pizzataxi, um die nächste Kochsendung auf keinen Fall zu verpassen.

Wer sich auf die virtuellen Köche einlässt, lebt gefährlich. Zwischen Hunger und schnellen Bissen von Imbissen. Die Wirkung spüre ich sofort. An meinen Hüften. Ich habe die virtuellen Köche satt, schaue aber weiter, kann mich ihrer Zauberei nicht entziehen. Mich faszinieren ihre pürierten Gemüsesüppchen in Schnapsgläsern serviert, die marinierte Ananas mit Whisky verfeinert, oder mit Morcheln belegtes Risotto.


„Kochen ist wie ein Gebet“, predigte schon meine bosnische Oma.

Sie, die geborene Köchin, brauchte jeden Tag „Inspiration und Konzentration!“ wie sie sagte, bevor sie mich zu spielen schickte. Solange sie in der Küche um die Töpfe tanzte, Kartoffel, Karotten und Zwiebel schälte, Fleisch marinierte, durfte sie keine stören, geschweige über ihren Rücken schauen.

Auch meine Mutter duldete keine Konkurrenz in der Küche:

„Viele Köche verderben den Brei!“, sagte sie und schickte mich in mein Zimmer, um für die Schule zu lernen oder das Badezimmer zu putzen. Auch mein Versuch meinem deutschen Mann mitten in seiner 5-Gänge-Menü-Meditation, behilflich zu sein, scheitert:

„Ich mache die Salatsoße!“ rufe ich fröhlich.

„Neeeein!“ ruft er verzweifelt zurück.

„Lass mich bitte alleine in der Küche. Ich habe mir dabei etwas gedacht. Mach lieber was anderes. Gehe spazieren, telefoniere mit der Oma, Mutter oder Freundin. Lese, schaue Fern!“

Gute Idee. In fünf Minuten kochen wieder Lafer, Tim, Jammie und Co. Bei den Kochpäpsten darf ich wenigstens zugucken.


Meinen liebsten Köchinnen, meiner Oma und meiner Mutter verdanke ich, genauso wie meinem deutschen Mann, deren Kochkünste ich täglich genieße und ihn ehre, dass aus mir nie eine Köchin geworden ist.


Nein, ich beschwere mich nicht. Im Gegenteil. Das habe ich ihnen großzügig verziehen.

Man kann nichts alles haben, muss ich meiner georgischen Freundin recht geben.

Der liebe Gott habe die Gaben und Talente doch gerecht verteilt. Wäre ich so leidenschaftlich in der Küche wie mein kochbegabter deutscher Mann, hätten wir heute Konkurrenzkämpfe und unsere Ehe wäre vielleicht eine von gestern.


Natürlich verzweifelte irgendwann meine Mutter, glaubte an mir völlig versagt zu haben. Mehr als ein perfektes Spiegelei kann ich bis heute nicht vorweisen. Meine beiden Schwester übrigens auch nicht. Doch jede von uns drei habe einen Mann fürs Leben gefunden, der vor allem in der Küche die Frau zum Staunen bringe, spottet meine Mutter über ihren drei Schwiegersöhne.

„Ein Mann mit der Schürze?! Oh Gott! “

Solche Männer hatte meine Mutter früher verabscheut. Ihr waren die goldenen Hände meines Handwerkervaters viel lieber.


Die Welt scheint tatsätzlich inzwischen auf die Stirn gefallen zu sein. Mein Mann zaubert in der Küche seine neuen Kochkreationen und ich schraube gerne Fahrräder zusammen, verlege Parkett, repariere Bad und schaue wie mein Vater wahnsinnig gerne Fern.

Heute darf ich die neue Sendung von Lafer, Tim, Jamie und Co. auf keinen Fall verpassen.


„Das Essen ist fertig!“ ruft mich aus der Küche mein deutscher Mann!

Meine Nasenlöcher weiten sich. Es riecht nach Schwein in Curry-Soße, Reis Gemüse und guten Wein aus dem Bio-Supermarkt.

„Sofort!“ rufe ich zurück und stürze die drei Treppen runter.


Den Hunger hole ich mir bei den sterilen Kochpäpsten im Fernsehen. Das Lecker Essen mache ich aber am liebsten bei ihm, meinem deutschen Mann!

Mmmm...




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